„Die eigenen Ehefrauen schmecken am besten.“ So lautete angeblich die Antwort eines Einheimischen in Papua-Neuguinea auf die Frage, ob es denn heute noch Kannibalismus gäbe.
Da ich ohne meine Ehefrau unterwegs gewesen war, kann ich die Frage leider nicht beantworten. Ich musste mir dazu jedoch im Vorfeld meiner Expedition zum Mount Giluwe (mehr dazu HIER) so einiges anhören: „Echt, nach Papua-Neuguinea? Dort leben doch noch Menschenfresser.“, „Pass bloß auf, die bringen da gleich jeden um.“ wie auch „Werden da nicht noch Hexen verbrannt?“. Wirklich gewundert habe ich mich darüber jedoch nicht:
Viele Reiseführer beschreiben Papua-Neuguinea als „The Last Frontier“, also als „letzte Grenze“, als das Ende der besiedelten Welt. Eine Welt mit einer maximal rudimentären Infrastruktur, angeblich wild, unzivilisiert, gefährlich und voll von Jahrhunderte alten Gebräuchen und Mythen. Bereits vor etwa 50.000 Jahren wurde Papua-Neuguinea besiedelt, im 16. Jahrhundert erreichten die ersten Europäer das Land. Doch die klimatischen Gegebenheiten, die lebensfeindliche Natur und die „Sitten“ der Einheimischen – Kannibalismus etwa war weit verbreitet – verhinderten über Jahrhunderte die Erforschung des Landesinneren. Die Stämme im Hochland hatten erst in den 1930er Jahren erstmals Kontakt zur Außenwelt. In den unzugänglichsten Gebieten der Insel gibt es vermutlich bis heute Volksgruppen, die noch keinen Kontakt zur Zivilisation hatten. Durch die isolierte Lage konnten die traditionellen Lebensweisen auf der Insel bis heute bewahrt werden. Selbst die eifrigsten Missionare änderten daran zum Glück nur wenig.“
-> Auszug aus dem Bildband „Volcanic 7 Summits“
Und ja, in Papua-Neuguinea werden in der Tat noch Hexen gejagt. Kurz nach meiner Ankunft musste ich in einer lokalen Zeitung lesen, dass wenige Tage zuvor eine Gruppe von 30 Männern zum Tode verurteilt wurde, weil sie eine „Hexe“ in einem See versenkt hatten. Und ja, kurz nach unserer Abreise wurde unser Hotel von einer bewaffneten Gruppe überfallen und ausgeraubt. Und ja, die Hauptstadt Port Moresby ist eine der gefährlichsten Städte weltweit. Angeblich wird in den Armenvierteln dort sogar tatsächlich noch Menschenfleisch gehandelt.
Aber wie so häufig darf und kann man diese Vorfälle nicht mit dem ganzen Land über einen Kamm scheren. Sie bieten sich natürlich immer wieder prima als Schlagzeile an, wie überhaupt das Thema „In Papua-Neuguinea leben noch die Wilden“.
Ich persönlich habe in Papua-Neuguinea vor allem fröhliche und freundliche Menschen getroffen. Herzliche Willkommensrufe auf einem Markt, fröhlich winkende Kinder und sehr angenehme Begleiter. Diese waren immer für einen Scherz gut, hilfsbereit und offen.
Und zudem sehr bemüht, uns ihre Kultur zu erklären, im Gegenzug unsere Kultur zu verstehen und insbesondere auch, uns die einzigartige Natur Papua-Neuguineas zu erklären. Letzteres stellte sich für uns Europäer sehr schnell als ziemlich hoffnungslos heraus. „Hörst Du das Rascheln da hinten?“, „Weißt Du, wofür diese Pflanze gut ist?“, „Da oben im Baum, siehst Du dort den Vogel?“ und viele Fragen mehr – alle mit meiner immer gleichen Antwort: „Nein“.
Frustrierend, und hat mir noch einmal deutlich gezeigt, wie unendlich weit wir uns bereits tatsächlich von unserer Natur und unserem Ursprung entfernt haben.
„Unsere westliche Welt begibt sich mit ihrer Technikgläubigkeit in eine immer gefährlichere Abhängigkeit. In Wahrheit sind es aber doch eigentlich die naturverbundenen Völker, die uns etwas Wertvolles voraushaben: Respekt und Demut vor unserer Umwelt, im Einklang zu leben mit der Natur und sich diese nicht Untertan machen zu wollen.„
-> Auszug aus dem Bildband „Volcanic 7 Summits“
Alleine wäre ich in den tiefen, sattgrünen Dschungeln sicher komplett verloren gewesen. Sogar unsere, aus unserer Sicht so unglaublich modernen Hightech-Klamotten waren eigentlich völlig fehl am Platz. Auf den Tausenden kleinen Wurzeln bin ich trotz vorsichtigem und langsamen Laufen immer wieder ausgerutscht, habe mich immer wieder auf meinen Hosenboden gesetzt – und wurde regelmäßig von den auf schlichten Sandalen, teilweise sogar barfüßigen laufenden Einheimischen mit schwerem Gepäck überholt.
Alle Erlebnisse, Geschichten und Mythen dieser unglaublichen Tour würden hier leider völlig den Rahmen sprengen.
Daher werde ich mich hier und heute auf eine Begegnung konzentrieren, welche mir besonders in Erinnerung geblieben ist. Und zwar mein Gespräch mit William, der uns eine Zeit lang begleitet und uns sein Dorf bzw. Stamm gezeigt und vorgestellt hat. William lebt ein nach unseren Maßstäben zivilisiertes Leben, meint in einem Haus aus Stein, er besitzt ein Auto, Handy und weitere moderne technische Geräte. Dazu spricht er ein perfektes Englisch, wobei das in Papua-Neuguinea gar nicht so selten ist.
Während einer Runde durch sein Dorf bzw. nach einer landestypische Sing Sing Vorstellung hat uns William auch in das sogenannte Geisterhaus geführt. Dieses darf nur von Männern betreten werden, die weibliche Person unserer kleinen Gruppe musste draußen bleiben, und dort werden u.a. die Schädel der verstorbenen Dorfältesten aufbewahrt. Diese werden übrigens nach ihrem Tod an einem Baum aufgehängt und dort so lange hängen gelassen, bis nur noch die Knochen übrig sind. Anschließend erhält der Schädel seinen Platz im Ahnen-/Geisterhaus. In kritischen Situationen oder bei schwierigen Fragen der Gemeinschaft werden diese Ahnen dann von den Dorfältesten zu Rate gezogen.
Während uns William alles ausführlich erklärt kommen wir auch auf die schwarze Magie zu sprechen. Eigentlich ist so gut wie ganz Papua-Neuguinea missioniert, 97% der Bevölkerung gehören der christlichen Religion an. Eigentlich, denn:
„Doch die christlichen Rituale haben sich im Laufe der Zeit mit den traditionellen religiösen und magischen Praktiken vermischt“, fuhr er fort … „Und natürlich existiert auch die dunkle Magie.“ Dabei riss er die Augen weit auf und starrte mich von der Seite an: „Black Magic Exists“, wiederholte er mindestens fünf Mal. Sein Vater hätte ihm davon erzählt, wie man sie anwendet, wie man sie abwehrt. „I Believe my Father, I Believe in Black Magic.“
In seiner Stimme lag jetzt eine undefinierbare Mischung aus Furcht, Faszination und tiefer Überzeugung. Seine Augen waren so dunkel, dass die Pupillen kaum zu erkennen waren, und ich hatte Mühe, seinem Blick standzuhalten. Er fixierte mich, doch gleichzeitig hatte ich das Gefühl, als würde er durch mich hindurch schauen. Fast war mir so, als könnte auch ich direkt in sein Innerstes blicken – direkt in das Innere dieser uralten, naturverbundenen Kultur. „Black Magic Exists“, murmelte er wieder. Ich war mir in diesem Moment absolut sicher, dass es mehr zwischen Himmel und Erde gibt als wir uns mit westlichem, analytisch wissenschaftlichem Wissen vorstellen können. „Black Magic Exists.“
-> Auszug aus dem Bildband „Volcanic 7 Summits“
„Black Magic Exists“, mindestens fünf Mal hat William diesen Satz wiederholt. Ich habe noch selten jemanden gesehen, der mit einer solchen Überzeugung gesprochen hat.
Und auch wenn ich ein sehr rationaler, wissenschaftlicher Mensch bin, so bin ich definitiv davon überzeugt, dass unser Gehirn – sinnvollerweise – sehr limitiert ist. Wie ich in meinem Bildband so treffend formuliert habe, gibt es zwischen Himmel und Erde ganz gewiss sehr viel mehr, als wir mit unseren Sinnen und unserem Verstand wahrnehmen und wahrhaben können. Angefangen von der unglaublichen Kraft der Vorstellung, Stichwörter „Der Glaube versetzt Berge“ sowie „Placebo Effekt“, über quer durch das gesamte Universum verschränkte Quanten bis hin zu der Theorie, dass unser Universum aus zehn oder mehr Dimensionen besteht: „Black Magic Exists“.
PS: Da fällt mir gerade ein, ich habe in Papua-Neuguinea mitten im Dschungel sogar eine Live Performance von dem Scorpions Song „Wind Of Change“ dargeboten bekommen. Von Augustine, einem der verrücktesten Typen, denen ich jemals begegnet bin. Davon muss ich Euch natürlich auch noch erzählen, schaut also gerne regelmäßig vorbei 😉