Fotografieren im ewigen Eis
Die Antarktis ist der windigste, kälteste und trockenste aller Kontinente – mehr dazu und ein paar Bilder findet Ihr übrigens HIER bzw. in meinem Buch über das Volcanic 7 Summits Projekt. Temperaturen unter minus 20 Grad sind keine Seltenheit. Da stellt sich natürlich die Frage, ob man unter solchen Bedingungen überhaupt fotografieren kann?
Selbstverständlich! Ich war mit der Kombination E-M1 Mark II plus 12-100 4.0 Pro Objektiv unterwegs, welche die komplette Expedition über einwandfrei ihren Dienst verrichtete. Wie ich ehrlich zugebe allerdings auch verrichten musste. Ich hatte es in den stressigen Tagen vor der Abreise doch tatsächlich geschafft, nur einen Ersatz-Body einzupacken. Zweites oder gar drittes Objektiv? Fehlanzeige.
Aber der Reihe nach: Die aus meiner Sicht wichtigste Regel: Sich selbst wohl fühlen! Wer nicht passend gekleidet ist und friert, sich überanstrengt und dadurch nur mit sich beschäftigt ist wird nicht in der Lage sein, dann auch noch Energie für das Fotografieren aufzubringen.
In Bezug auf die passende Kleidung gilt vor allem in der Antarktis: Handschuh weg bedeutet Hand weg. Das Erfrieren zumindest einzelner Finger ist dann nur eine kurze Frage der Zeit. Also immer mehrere Paare einpacken und die Handschuhe mit Schlaufen um das Handgelenk vor dem Verlieren sichern.
Außerdem niemals ohne Handschuhe arbeiten. Neben Erfrierungen droht auch das Festfrieren der Haut am eiskalten Metallbody der Kamera. Das folgende Ablösen ist da definitiv kein Spaß. Daher darauf achten, beim Blick durch den Sucher auf keinen Fall mit Nase oder Wange das eisige Metall zu berühren.
Auch mit Handschuhen erreiche ich so manches Mal die Kälte-Belastungsgrenze nach dem Motto „ein Foto geht noch“. Zum Glück habe ich keinerlei Erfrierung erlitten, und der jeweilige Schmerz war jedes einzelne Bild wert.
Nicht dramatisch, aber auch nicht hilfreich ist ein verloren gegangener Objektivdeckel. Zumindest bei meiner Kamera springt dieser schon bei leichten Stößen, z.B. an den Rucksack beim Trekking, ab. Ich bohre daher mit dem Taschenmesser ein Loch in den Deckel, führe eine reißfeste Kordel ein und befestige diese an einer Öse des Gehäuses.
Sehr wichtig aus meiner Sicht ist auch ein festes Ordnungssystem. Ich verstaue alles immer möglichst am gleichen Platz. Wenn es unter extremen Bedingungen schnell gehen muss, sollte jeder Handgriff sitzen. Ein längeres Durchwühlen mehrerer Taschen, nach z.B. dem Akku, kann schnell zu einem, oder sogar DEM verpassten Bild führen.
Apropos Akkus. Bei der extremen Kälte halten diese nicht sehr lange durch. Nach vier bis fünf Stunden sind von 100% noch knapp 20% Restladung übrig. Ich tausche dann gegen einen der beiden warmen Akkus in meiner Brusttasche. Nach dem Aufwärmen zeigt der alte Akku wieder eine Kapazität von 40-50% an und ist erneut einsatzbereit.
Die E-M1 Mark II ist leider nicht per USB zu laden (Update, die Mark III ja). Für ältere Olympus Modelle gibt es entsprechende Ladeschalen von Drittanbietern, die M1 Mark II ist dafür noch zu neu. Ich nehme daher ausreichend Akkus mit, ungefähr zwei für jeden geplanten Expeditionstag. Insgesamt ist das von Packmaß und Gewicht am Ende dann auch nicht viel schlechter als alternativ ein oder zwei größere Powerbanks mit ggfs. noch Solarpanel.
Wenn möglich trage ich die Kamera immer „am Mann“. So bin ich jederzeit schussbereit. Kamera und Objektiv machen diese permanente Eiseskälte nicht aus. Möchte ich die Kamera in einem wärmeren Zelt nutzen, so packe ich sie in einen wasserdichten Sack und lasse sie darin im Zelt eine Stunde akklimatisieren. Dadurch vermeide ich ein Beschlagen der Linse.
Neben der Ausrüstung sind natürlich auch Besonderheiten beim Fotografieren und den Einstellungen zu beachten. So liegt der Weißabgleich ab und an daneben und gleitet ins Bläuliche ab. Da ich zwecks größerem Spielraum bei Bearbeitung sowieso immer im RAW Format fotografiere – auch wenn die Qualität der Olympus JPG außergewöhnlich gut und meist mehr als ausreichend ist – nehme ich eine entsprechende Korrektur erst nach der Tour zu Hause am Rechner bei einer gemütlichen Tasse Kaffee im Warmen vor.
Auch die Belichtungsmessung stößt angesichts des vielen Weiß und der Reflexionen schnell an ihre Grenzen. Ich korrigiere im Schnee daher um +1.0 bis +1.5 Stufen. Der Schnee sollte dabei noch etwas Zeichnung aufweisen, und das Hauptmotiv darf natürlich nicht überstrahlen. Hier könnten zur Unterstützung das Histogramm wie auch die Überbelichtungswarnung in der Kamera eingeschaltet werden.
Theoretisch gibt es auch so einiges bei dem Thema Nachtaufnahmen in Schnee und Eis zu beachten. Für mich in der Antarktis war das allerdings nicht relevant bei 24 Stunden Helligkeit 🙂
Das Fotografieren unter den extremen antarktischen Bedingungen ist viel unkomplizierter als gedacht. Ich habe mir im Vorfeld so einige, zum Glück unnütze, Sorgen gemacht. Unter Berücksichtigung weniger einfachere Regeln ist es am Ende ein ganz normales fotografisches Arbeiten wie auf jeder anderen Tour.