Bildbearbeitung und Composing: Segen oder Teufelswerk?
Ich habe die Tage eine interessante Diskussion über das Thema Bildbearbeitung geführt. Diese möchte ich zum Anlass nehmen, um mich einmal ausführlicher dazu zu äußern und um anschließend gerne auch mit Euch darüber zu diskutieren.
Aus meiner Sicht war die Bildbearbeitung (und die Diskussion dazu 😉 ) schon immer Teil des fotografischen Prozesses. Bereits in der schwarz-weißen Dunkelkammer hat der bekannte Landschaftsfotograf Ansel Adams einzelne Bildpartien selektiv aufgehellt bzw. abgedunkelt. Und in so mancher Bildredaktion wurden analoge Bildern mit Schere und Leim bearbeitet.
Heute in der digitalen Welt ist die Bearbeitung natürlich viel einfacher bzw. sind die Möglichkeiten mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz noch viel größer, ja fast unendlich.
Aber gibt es überhaupt DAS objektive Bild? Jede analoge Film- sowie Papiermarke hatte eine etwas andere Farbwiedergabe. Jeder digitale Sensor verarbeitet das eingehende Licht ein wenig anders und bei den RAW Konvertern verwundert es mich immer wieder, wie stark die Ergebnisse abweichen.
Grundsätzlich errechnet eine Kamera bei der Belichtung den Mittelwert aus hellster und dunkelster Stelle im Motiv. Allerdings liegt der Dynamikumfang einer Kamera deutlich unter dem des menschlichen Auges. Unser Auge kann nämlich einen Dynamikumfang von 20 Blendenstufen sehen (wenn ich es richtig verstanden habe, dann bietet die reale Welt 23 Blendenstufen von Beleuchtung durch Sternenlicht bis hin zur prallen Sonne auf Sand/im Schnee). Unser Gehirn errechnet nämlich jeweils quasi ein HDR Bild. Die Pupillen vergrößern und verkleinern sich je nach Lichtsituation. Ist es sehr hell verkleinern sich die Pupillen und wir erkennen noch Details in den hellen Partien. Wandert unser Blick dann in einen dunklen Bereich vergrößern sich die Pupillen und wir erkennen so auch die Details in diesen dunklen Stellen. Die besten Kameras kommen mittlerweile auf knapp 15 Blendensstufen, die Olympus OM-1 auf knapp 13.
Daher ist aus meiner Sicht eine RAW Standardbearbeitung mit den grundlegenden Parametern Kontrast, Dynamik, Belichtung, Weißabgleich, Schärfe etc. eine absolute Pflicht in der Fotografie bzw. wird es kein veröffentlichtes Foto ohne geben.
Bei mir ist die Bildbearbeitung sogar ein wesentlicher Bestandteil des fotografischen Prozesses. Mein Ziel ist es nicht, eine objektive Realität (die es überhaupt nicht gibt) abzubilden, sondern das Motiv so zu interpretieren wie es sich vor meinem Auge visualisiert. Zu dieser Visualisierung gehören alle meine Empfindungen bei der Aufnahme plus teilweise sogar eine grundlegende Bildidee. Ich möchte also mit dem Foto etwas bei dem Betrachter auslösen. Und dazu nutze ich alle kreativen Techniken, welche mir zur Verfügung stehen. Das können deutlich sichtbare Farbanpassungen bis hin zu einem Composing von mehreren Bildern sein. Bei mir entstehen viele Fotos zuerst im Kopf. Anschließend versuche ich dann diese Bilder unter dem Einsatz diverser Techniken umzusetzen. Das zentrale Element ist und bleibt dabei das einzelne Bild, es ist aber definitiv nicht das Ziel.
Das hier gezeigte Bild von einem sogenannten Cracked Egg aus der Bisti Wilderness in New Mexico verdeutlicht das hoffentlich noch ein wenig. Ihr seht das originale Bild aus der Kamera, das standardbearbeitete Bild und das Bild, welche die Szenerie so zeigt, wie sie sich bei der Aufnahme vor meinem geistigen Auge visualisiert hat, beeinflusst dabei auch durch dieses Plakat der genialen Westworld Serie und der Bildsprache meines aktuellen außerirdischen Extraterra Projekts. Der flammende Himmel soll dabei die Temperaturen von bis zu 467 Grad auf dem Planeten Merkur visualisieren.
Wichtig ist es dabei für mich nur, dass ich entsprechende Anpassungen auch benenne. Für mich selbstverständlich kennzeichne ich jedes Composing als Composing und erläutere tiefergehende Bearbeitungen in der Bildbeschreibung, häufig sogar mit einer Erklärung, warum ich mein Bild entsprechend bearbeitet habe.
Eigentlich sollte das auch eine grundlegende Selbstverständlichkeit sein. Für mich wird ein Bild nicht weniger wert, wenn es nicht als reiner single shot entstanden ist. Ich bewerte Bilder anhand ihrer Wirkung und nicht anhand der verwendeten Techniken. In der Regel erkennt ein geschultes Auge auch auf den ersten Blick, ob ein Bild so entstanden sein könnte oder nicht – o.k., bei den heutigen Methoden den Himmel auszutauschen ist das leider nicht mehr der Fall.
Wahrscheinlich diskutiere ich an dieser Stelle aber gegen die Selbstdarstellersucht in den sozialen Medien. Am Ende muss das aber wie immer und überall jeder für sich selber entscheiden.
Wie seht Ihr das, schickt mir gerne eine kurze Nachricht.
Eine spannende Diskussion zu dem Thema findet Ihr übrigens auch HIER.
PS: Für die Reportagefotografie gelten aus meiner Sicht andere Regeln, da verbieten sich Manipulationen über die Standardbearbeitung hinaus. Da ich in diesem Metier aber nicht unterwegs bin, reicht für mich an dieser Stelle dieser kurze Nachsatz aus.