Für meine geplante – und leider erst einmal dem Cov-Sars II Virus zum Opfer gefallene – vulkanische Reise nach Indonesien hatte/habe ich ein paar ganz spezielle Bilder im Kopf: Vulkanausbruch zum Sonnenuntergang mit Milchstraße bzw. Startrails. Klingt erst einmal verrückt bzw. unmöglich ohne ein Composing mehrerer Bilder am Rechner. Mein Anspruch ist es jedoch, ohne ein solches auszukommen bzw. ausschließlich mit dem internen Composing meiner Olympus Ausrüstung, der Live Composite“ Funktion. Und somit nur ein einziges RAW File zu erstellen, welches genau dieses Motiv zeigt.

Die Umsetzung in Indonesien muss wie geschrieben leider noch warten, einem Test vor meiner Haustüre stand aber nichts im Weg. Natürlich ohne Vulkan und auch ohne Milchstraße im extrem lichtverschmutzten Raum Frankfurt, aber Sonnenuntergang und Startrails haben sogar wir hier 🙂

Die Bildidee stellte sich schnell als sehr aufwendig heraus. Erste Fehlversuche stachelten meinen Ehrgeiz aber nur noch mehr an und führten am Ende fast schon zu einer Materialschlacht – aber vor allem auch zu einem positiven Ergebnis: Challenge accepted, Challenge mastered.

Wie dieses Bild letztendlich entstanden ist erkläre ich Euch im Detail und Schritt für Schritt hier:

Ausrüstung:
Olympus OM-D E-M1 Mark III
Laowa 7.5mm Objektiv (manuell)
Diverse Haida Filter
Leofoto Stativ
Dicker schwarzer Pullover
Mexikanisches Sol Bier

Vorgehensweise:
Der Standort mit Blick auf den hessischen Taunus in Richtung Westen = Richtung Sonnenuntergang liegt nur ein paar Minuten zu Fuß von mir entfernt. Von den Shootings und Testversuchen der vorherigen Tage wusste ich ziemlich genau, wann die Sonne hinter dem Taunus verschwinden würde. In diesem Fall gegen 2030, so dass ich um 2015 mit der Aufnahme wie folgt begonnen habe:

  1. Aufbau der Kamera, Wahl des Bildausschnitts und manuell scharf gestellt (ich habe mir dazu die Funktion „Vergrößerung“ auf die Filmtaste gelegt).
  2. Filter zusammenbauen. Das M7 System von Haida erlaubt mir die Kombination mehrerer Filter. Genutzt habe ich ND-Filter zur Verlängerung der Belichtungszeit zum Sonnenuntergang plus einen Verlaufsfilter. Diesen habe ich so positioniert, dass er die obere linke Bildhälfte diagonal abdunkelt. Also von links unten bis rechts oben, um dort einen dunklen Himmel für die Startrails zu erhalten.
  3. Am manuellen Laowa Objektiv Blende 22 gewählt. Für einen schönen Sonnenstern sowie auch für eine längere Belichtungszeit während des hellen Sonnenuntergangs.
  4. Testbelichtung mit ISO 400 (dazu gleich mehr) zur Ermittlung der Belichtungszeit für den Sonnenuntergang. Mit der gewählten Blende sowie den ND-Filtern ergab sich eine Zeit von ungefähr sieben Sekunden.
  5. Wahl des Live Composite Modus an der Kamera (wie genau dieser Modus funktioniert erkläre ich Euch HIER), wobei ich die maximale Live Composite Dauer vorher auf sechs Stunden gestellt habe (bei der M1iii möglich, bei den anderen Olympus Modellen sind es drei Stunden).
  6. Als Basisbelichtung habe ich 15 Sekunden gewählt. Bei ISO 400. Als Kompromiss zwischen vielen Startrails und der enormen Lichtverschmutzung (mehr dazu gerne HIER).
  7. Als die Sonne noch halb über dem Taunus zu sehen war habe ich die Belichtung gestartet.
  8. Nach ziemlich genau sieben Sekunden (siehe Punkt 4) habe ich einen dicken, dichten schwarzen Pullover über die Kamera gelegt. Bei weiterlaufender Belichtung. Durch den schwarzen Pullover gelangte nun kein Licht mehr auf den Sensor, so dass ich dadurch den Sonnenuntergang mit den genannten sieben Sekunden belichtet habe (komischer Satz, aber hoffentlich irgendwie verständlich 😉 ).
  9. Nach 15 Sekunden (der Basisbelichtungszeit) tauchte dann das Bild auf dem Kameramonitor auf. Kurzer Check und passt.
  10. Der gemütliche Teil beginnt. Heißt warten darauf, dass es richtig dunkel wird – was derzeit locker zwei Stunden dauert (daher die Wahl von sechs Stunden Live Composite, drei Stunden würden auch funktionieren, aber nur recht knapp).
  11. Live Composite läuft weiter und weiter und weiter, jedoch ohne dass das Bild weiter belichtet wird, Stichwort Pullover. Ich habe also entspannt Zeit, das mitgebrachte, noch kühle Bier (alternative Getränke sind natürlich möglich und beeinflussen das Bildergebnis nicht 😉 ) zu genießen.
  12. Endlich dunkel bzw. so dunkel wie es in einem Ballungszentrum werden kann. Die Aufnahme kann also endlich weiter gehen. Dazu nehme ich als erstes den Pullover über der Kamera weg.
  13. Anschließend schraube ich ganz vorsichtig den M7 Filterhalter mit den Filtern vom Objektiv – wobei ich dummerweise vergessen hatte das Stativ im weichen Gras zu beschweren. Die Kamera ist daher dabei ganz leicht verrutscht. War zum Glück nicht wirklich dramatisch bzw. hätte in einer komplett dunklen Region gar keine Auswirkungen, da nun ja i.w. nur noch Sternenspuren der Aufnahme hinzugefügt werden sollen.
  14. Als letzten Schritt öffne ich die Blende (der große Vorteil eines manuellen Objektivs) – in diesem Fall vorsichtig in Stufen mit jeweiligem Check am Monitor, zu viel Licht färbt den Himmel hier ansonsten sehr gelblich – und lasse die Kamera dann laufen. Und laufen, laufen und laufen.
  15. Langsam zeigen sich am Monitor die ersten Startrails in dem dunklen Bereich des Himmels. Genau so wie geplant 🙂
  16. Nicht geplant, aber warum auch nicht, fliegt eben mal die ISS durchs Bild.

Eigentlich wollte ich die Kamera die gesamten sechs Stunden laufen lassen. Doch kurz nach Mitternacht sind Wolken aufgezogen. Wolken, die in Verbindung mit der Lichtverschmutzung für einen deutlichen roten Schleier sorgen würden. Also musste ich schon nach knapp 3 1/2 Stunden abbrechen. Schade, aber nicht wirklich dramatisch, da es sich ja „nur“ um ein Konzeptbild und kein finales Motiv handelt.

Ein Konzeptbild was mir persönlich jedoch definitiv Lust auf mehr macht. Lust darauf, diese Technik in einer viel fotogeneren Landschaft umzusetzen.

Und Lust darauf, mir noch kompliziertere Bilder zu überlegen 🙂

PS: Ich habe die Kommentarfunktion für meine Seite zwar aus diversen Gründen ausgeschaltet, würde mich zu diesem Bild jedoch sehr über Feedback und Anregungen freuen. Und auch über Eure kreativen Ideen mit Live Composite. Kontaktiert mich dazu gerne HIER.