Review

Wenn mir vor ein paar Wochen jemand gesagt hätte, ich würde hier und heute mit Spaß und Freude bei uns im Feld stehen und fotografische Jagd auf (Greif)vögel machen, den hätte ich für komplett durchgedreht gehalten. Bitte versteht mich nicht falsch, ich habe nichts gegen Vögelfotografie und Birdwatching, aber eigentlich auch überhaupt nichts dafür 😉 Trotzdem verfolge ich gerade bereits den dritten Bussard (oder was immer für ein Vogel das auch sein mag) mit meinem extremen Tele, probiere mich an diversen Einstellungen und mache eine Serienaufnahme nach der anderen.

Aber von Anfang an (wer übrigens lieber Videos schaut als zu lesen findet den Review auch HIER auf YouTube): Als Landschaftsfotograf bin ich grundsätzlich eindeutig der Weitwinkel-Typ. Ein starkes Tele brauche ich eigentlich nur, wenn ich mich fotografisch in den interstellaren Raum begebe oder – zum Glück selten 😉 – nicht nahe genug an einen feurigen Vulkan herankomme.

In diesen Fällen greife ich gerne zum M.Zuiko Digital ED 300mm F4 IS PRO (hier auf Amazon) zusammen mit dem 2fach Teleconverter MC-20 (hier auf Amazon). So manch knackige Mondaufnahme ist mir damit schon gelungen.

Testmotiv: Mond

Insofern habe ich mich sehr gefreut, als mir Olympus das neue M.Zuiko Digital ED 100-400mm F5.0-6.3 IS zum Testen (hier auf Amazon) zur Verfügung gestellt hat. Und damit noch mehr Brennweite, nämlich insgesamt 1600mm (umgerechnet auf KB) anstatt 1200mm – womit ich das Beste nicht wie gewöhnlich zum Schluss, sondern bereits zum Anfang verraten habe. An dem 100-400er lassen sich nämlich die beiden Teleconverter MC-14 wie auch MC-20 verwenden – u.a. auch einer DER Vorteile gegenüber dem vergleichbaren Objektiv von Panasonic.

Mein erster Test mit diesem neuen „Spielzeug“ (bitte nicht negativ verstehen, aber aus meinem allgemeinen Spieltrieb heraus, meiner Neugier und Experimentierfreude entstehen meine besten Bildideen) erfolgte daher ganz entspannt von unserer Dachterrasse aus. Ich musste zwar ein paar Tage auf einen wolkenfreien Himmel warten, aber irgendwann war mir der Wettergott hold und gab den Blick auf mein lunares Motiv frei. Kamera (OM-D E-M1 Mark III) aufs Stativ und gleich der erste positive Aspekt: das Auffinden des Mondes im Sucher. Mit der 300er Festbrennweite ähnelt das immer mehr einem Zielschießen und dauert manchmal ganz schön lange, bis ich den Mond tatsächlich gefunden habe. Das 100-400er hat dagegen den großen Vorteil, dass ich den Mond mit 100mm anpeile, mittig ins Bild nehme und dann maximal zoome. Maximal zoomen heißt dabei bis zu 800mm inkl. Teleconverter und damit einen so gut wie formatfüllenden Mond.

400er: HiRes, 800mm, ISO 640, f13

Die Seeing Bedingungen (meint die astronomische Sicht mit Luftverwirbelungen in der Atmosphäre) waren an den Testtagen nicht perfekt, aber passabel. Getestet habe ich „normale“ Aufnahmen wie auch die 50-MP-Handheld-High-Res-Shot-Funktion (so die offizielle Bezeichnung, ich bevorzuge kurz und knackig: HiRes 50). Trotz höherer ISO-Zahlen aufgrund der niedrigeren Blende (F13 mit dem MC-20 im Gegensatz zu F8 mit dem MC-20 am 300er) sind die Bilder beeindruckend scharf geworden. Auf den ersten Blick bzw. bei Bildschirmansicht ist kein Unterschied zum 300er festzustellen, nur beim hineinzoomen in die Aufnahmen habe ich nach ein paar Tests den Eindruck, dass die HiRes 50 Aufnahmen des 300er etwas schärfer werden. Aber definitiv nicht signifikant.

Testmotiv: Jupiter und Saturn

Praktischerweise konnte ich von der Terrasse aus noch ein zweites interstellares Motiv ins fotografische Visier nehmen. Und zwar sind derzeit die beiden Planeten Saturn und Jupiter gut und nahe beieinander zu sehen. Auch hier spielte der Zoom wieder seinen Vorteil beim anpeilen und fokussieren aus. Bezüglich Bildqualität bekomme ich mit der 300er Kombi ein paar Monde des Jupiter auf ein Bild gebannt, aber kein erkennbares Bild vom Saturn.

400er: Crop, 800mm, ISO 400, f13

Ganz im Gegensatz zu dem 100-400er. Die Ringe des Saturn sind damit eindeutig zu erkennen, Wahnsinn! Natürlich nichts im Vergleich zu entsprechenden Aufnahmen mit einem Teleskop bzw. dem Stacking von vielen Aufnahmen wie hier. Aber für ein Einzelbild mit einer ganz normalen Fotoausrüstung aus meiner Sicht extrem beeindruckend. Alleine mit diesem Bild habe ich dieses Objektiv direkt in mein Fotografenherz geschlossen 🙂

Aber gut, nur eine Aufnahme vom Saturn ist jetzt sicher nicht das Kaufargument für die meisten von Euch. Auch nicht der bisher rein stationäre Einsatz von zu Hause aus.

Testmotiv: Handling unterwegs

Also habe ich mich damit auch auf in die Natur damit gemacht. Zu gerne hätte ich das 100-400er ausgiebig auf einer spannenden Fernreise in für mich gewohntem „rustikalem Terrain“ getestet. Wegen diesem nervigen Cov Sars II Ding war dies leider nicht möglich. So mussten insbesondere die Felder in der heimischen Umgebung genügen bei einer für mich eher ungewohnten Fotografie: Wildlife, Natur, Pflanzen kommen mir für gewöhnlich sehr selten vor die Linse. Insofern sind meine Tests am Ende vielleicht nicht 100%ig aussagefähig für absolute Naturfotografie-Spezialisten, aber mir ging es vor allem auch um das Testen aller Spielarten, Möglichkeiten, Einsatzzwecke bzw. auch im Hinblick als Reise- oder Wander-Tele. Wie auch um das Handling allgemein.

Ich bin dabei gerne mit leichter und maximal handlicher Ausrüstung unterwegs. Dazu hat sich das 100-400er sehr schnell als viel kompakter und portabler als gedacht herausgestellt. Mit 1.120g ist es nach meiner Waage etwa 100g leichter als das 300er und mit 205.7mm deutlich kürzer als das 300er. Mit der OM-D E-M1 Mark III (hier unser Podcast Review der Kamera) (hier auf Amazon) wie auch der OM-D E-M1X (hier auf Amazon) ist es gut ausbalanciert, liegt prima in der Hand und lässt sich über längere Strecken auch gut in der Hand tragen.

Testmotiv: Wetter

Grmpf, normalerweise liebe ich es, meine PRO-Ausrüstung im Extrembereich auf seine Outdoor-Fähigkeit zu testen. Leider habe ich erst nach Rückgabe des Objektivs erfahren, dass es einen vergleichbaren Spritzwasserschutz wie die Objektive der Pro-Serie hat (IPX1). Mist, das hätte ich natürlich sonst auch sofort getestet. Habe mich so aber nicht getraut 🙂 Aber gut, da mich meine Ausrüstung bisher noch nie in der Hinsicht enttäuscht hat, wird es beim 100-400er auch passen.

Testmotiv: Vögel und Flugzeuge

Wie eben erwähnt, ich teste gerne im Grenzbereich. In diesem Fall heißt das im Grenzbereich des Objektivs, also immer im Bereich von 400mm mit dem MC-20. Hintergedanke des Tests war zum einen, dass die Möglichkeit der Verwendung eines Teleconverters wie bereits erwähnt einen eindeutigen Vorteil gegenüber dem 100-400er Panasonic F4.0-6.3 darstellt. Und zum anderen, dass wenn die Bildqualität im „worst case“ Grenzbereich passt, diese in allen anderen Situationen nur (noch) besser sein kann.

12mm

Und so kam es also, dass ich mich, wie in der Einleitung beschrieben, mit der Fotografie von Greifvögeln beschäftigt habe. Wobei mir zuerst ein Kranich vor die Linse gekommen ist, ein Kranich der Marke Lufthansa 🙂 Und gerade da haben sich die 800mm als sehr beeindruckend dargestellt. Zuerst habe ich die Landschaft mit 12mm fotografiert und anschließend das Flugzeug mit 800mm. Mit ein wenig zusätzlichem Crop ist das Flugzeug sehr gut und klar zu erkennen, auf dem 12mm Bild musste ich lange zoomen und suchen, bis ich es überhaupt auf dem Bild entdecken konnte – meine Familie möchte mich wahrscheinlich ab sofort nur noch mit diesem Objektiv losschicken, weil ich so aus definitiv sicherer Entfernung meine eher unsicheren Motive fotografieren könnte 🙂

400er: Leichter Crop, 800mm, ISO 200, f13

Anschließend aber dann wirklich ein echter Greifvogel. Praktisch ist hier wieder der große Zoombereich, der das Finden des Vogels im Sucher sehr einfach macht – ganz im Gegenteil zu dem 300er. Da ist es so gut wie unmöglich, den fliegenden Vogel auch nur kurz in den Sucher zu bekommen, was ich dann auch recht schnell aufgegeben habe.

Beim Verfolgen des Greifvogels hat der C-AF sehr zuverlässig gearbeitet. Ich habe viele Serien aufgenommen und nur ganz selten hat die Fokussierung nicht gepasst – mit dem demnächst implementierten Bird-AF in der OM-D E-M1X muss das dann ein Traum sein. Und auch der geniale Bildstabilisator unterstützt die fotografische Verfolgung einwandfrei. Dieser ist direkt im Objektiv verbaut, ein Sync IS mit dem in der Kamera verbauten Bildstabilisator findet allerdings nicht statt.

Die Bewegung des Vogels in Kombination mit dem starken Tele hat mich schnell zur Verwendung der Zeitautomatik und möglichst kurzen Belichtungszeiten gebracht. Was bei guten Lichtbedingungen trotz der dann nur noch Blende 13 zu immer noch vernünftigen ISO-Werten geführt hat. Klar, je dunkler desto schneller war ich dann bei ISO 6400, aber je nach Motiv ist da ja kein grundsätzliches Problem.

Der Zoom arbeitet dabei übrigens sehr weich, flüssig und genau. Es war also wirklich so gut wie kein Problem, den Vogel länger am Himmel zu verfolgen und zu fotografieren. Und nein, ich werde trotzdem nicht auf die Fotografie von Vögeln umsteigen 😉

Testmotiv: Makro mit Blumen und Enten

Und auch nicht auf die Fotografie von Blüten und Käfern. Die „kleine Welt ganz groß“ ist definitiv sehr spannend, aber ich erinnere mich noch lebhaft an eine Diskussion mit einem Fotografen, welcher sich in epischer Breite über das Scharfstellen von Schneckenfühlern ausgelassen hat. Für mich eine so fremde Vorstellung wie für ihn wahrscheinlich meine Faszination für Feuer, Eis und Sturm 🙂

Trotzdem habe ich mich für diesen Test auch ein wenig mit der Makrofotografie beschäftigt. Mit dem Vorteil gegenüber der Vögelfotografie, dass sich dabei die Motive nur wenig bewegen – o.k., bunte Schmetterlinge im Flug habe ich vergeblich ein paar Minuten lang versucht zu erwischen. Also nur leicht im Wind flatternde Blüten und schwimmende Enten. Was durch das einfachere Finden im Sucher auch wieder einen Vergleich mit dem 300er möglich gemacht hat.

Als sehr praktisch hat sich dabei der Focus Limiter Schieber erwiesen. Ich kann damit einstellen, in welchem Bereich der Autofokus arbeiten soll: entweder innerhalb der Naheinstellgrenze von nur 1,3 bis zu 6 Meter oder innerhalb von 6 Metern bis Unendlich – 1.3 Meter bis Unendlich stehen übrigens auch noch zur Auswahl.

Damit habe ich mich kreuz und quer durch die umliegenden Blumenwiesen fotografiert und einfach mal auf die bunten Blüten draufgehalten – mit dem 300er sowie dem 100-400er jeweils mit dem MC-20. Mein Ziel waren ja keine einzigartigen Bilder, sondern Qualitäts- und Schärfetests. Wie auch bei der anschließenden Tele-Jagd auf Enten (warum ich dabei spontan an Ente süß-sauer denken musste hinterfrage ich lieber nicht 🙂 ) an einem kleinen Teich.

Crop

Bei dieser Art der Fotografie hat das 100-400er aufgrund des Zooms wieder einen eindeutigen Handling-Vorteil. Bezüglich der Bildqualität habe ich schnell recht hohe ISO Zahlen aufgrund der Blende wählen müssen. Mit dem Ergebnis, dass das 300er in der Detailansicht schärfere Details produziert. Aber wie schon bei dem Testmotiv Mond nicht signifikant. Und, die Entenjagd hat wirklich Spaß gemacht und ein paar nette Detailaufnahmen mit 800mm bei am Ufer vorbei schwimmenden Enten produziert. Auf einem Bild sind zum Beispiel trotz ISO 5000 super Details in den Federn mit Wassertropfen zu erkennen. Insgesamt sehr überzeugend und übrigens alles aus der Hand fotografiert.

Und auch eine Biene (oder was auch immer) am Abend bei ISO 6400 mit F12, 1/100s bei 400mm (200mm plus MC-20) ist im Gesamteindruck durchaus brauchbar. Wobei mir dabei einfällt, dass ich in der Tat Pro Capture gar nicht getestet habe, da macht sich dann doch die fehlende Erfahrung in der Wildlife-Fotografie bemerkbar 😉 Funktionieren tut es auf jeden Fall.

Spannend ist aber nicht immer nur das Thema Schärfe, sondern insbesondere auch der Unschärfe-Bereich. Gerade hier unterscheiden sich viele Objektive. Mit dem 100-400er ist zum einen eine prima Freistellung möglich (was MFT-Objektiven ja warum auch immer häufig abgesprochen wird), zum anderen ist der Unschärfe-Bereich sehr weich und harmonisch und sorgt für sehr stimmige Bilder.

Testmotiv: Landschaft

Ich muss gestehen, den Bereich Landschaft habe ich als Landschaftsfotograf gar nicht so intensiv getestet 😉 Das Objektiv ist sicher praktisch in den Bergen für eine extreme Tiefenwirkung sowie für die Fotografie von weit entfernten Details. Wie gerne möchte ich mit dem Objektiv eines Tages den Kraterrand eines feuerspeienden Vulkans maximal nah heranzoomen. Aber dies ist sicher nicht die Kernstärke wie auch Zielgruppe des 100-400er.

Ausprobiert habe ich natürlich den HiRes Modus. Aus der Hand bei 800mm ist das (zumindest für mich) so gut wie unmöglich und mir trotz nur einer 1/1600 nicht wirklich scharf gelungen. Auf ein Stativ montiert natürlich schon.

Fazit

Wahrscheinlich warten sehr viele Olympus Fotografen gespannt auf das angekündigte M.Zuiko Digital ED 150-400 mm F4.5 TC1.25x IS Pro Objektiv – mich eingeschlossen. Daher muss ich an dieser Stelle auch gestehen, dass ich das M.Zuiko Digital ED 100-400mm F5.0-6.3 IS bei seiner Ankündigung nur bedingt ernst genommen bzw. näher in Betracht gezogen habe.

Dafür möchte ich mich hiermit offiziell bei dem Objektiv entschuldigen. Es ist ein fantastischer Allround-Begleiter: prima im Handling mit Fokus-Limiter und guten AF Werten. Achja, es passt natürlich auch zu den Stativköpfen mit Arca Swiss Anschluss. Von Blüte und Biene direkt vor der Nase über fliegende Greifvogel am Himmel bis hin zu dem über 1.200 Millionen Kilometer entfernten Planeten Saturn sind alle Motive gut zu fotografieren. Ob beweglich, unbeweglich, schnell, langsam, Makro, Sport, Natur, Astro deckt das 100-400er fast alle Einsatzgebiete der Fotografie ab.

Aufgrund der fehlenden Lichtstärke ergeben sich logischerweise hier und da Einbußen in der Bildqualität und Schärfe, allerdings auf hohem Niveau. Für reine Spezialanwendungen, in meinem Fall zum Beispiel der Mond in allen seinen Phasen oder bei Euch vielleicht der im dunklen Dschungel versteckte Pfeilfrosch, ist das 100-400er vielleicht nicht unbedingt die erste Wahl.

Für jeden anderen, der in der Natur, auf einer Wanderung, auf einer Reise oder wo auch immer ein starkes Tele als Begleiter sucht, der macht dem 1.299 Euro teuren (offizieller UVP) Objektiv definitiv nichts falsch. Ganz im Gegenteil, aus meiner Sicht hat Olympus mit diesem Objektiv wieder einmal bewiesen, dass ihnen in puncto Glas/ Objektiv kaum jemand etwas vormachen kann. Ich auf jeden Fall freue mich bereits darauf, das 100-400er auf der einen oder anderen – hoffentlich bald wieder möglichen – Tour im Gepäck zu haben.

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Beispielbilder

Alle Bilder sind für die Ansicht im Web optimiert und nicht in maximaler Auflösung dargestellt. Und bitte immer beachten, so gut wie alle Bilder sind im Grenzbereich von 800mm aufgenommen. Dazu war mein Ziel das Testen von Schärfe, Unschärfe, Handling, Einsatzgebiet etc. und nicht das perfekte Motiv bzw. maximal rauschfreie Bild.